Rezension Kirsch et al. Unternehmensführung

Das bereits 2009 erschienene Werk von Werner Kirsch, David Seidl und Dominik van Aaken erhebt – bereits im Untertitel – den Anspruch, Unternehmensführung aus evolutionärer Perspektive zu betrachten. Damit bezieht es sich ausdrücklich auf einen der grundlegenden theoretischen Ansätze des Management (wie dies bspw. auch Staehle auf den verhaltenswissenschaftlichen oder Macharzina auf den systemischen Ansatz tun).

Im Falle des evolutionären Ansatzes tun dies neben Kirsch et al. wiederum Dillerup/Stoi . Bei diesen allerdings nimmt der Leser des umfangreichen Werkes neben dem theoretischen Anspruch nur wenige Indizien für eine Prägung der Arbeit durch evolutionäre Prinzipien wahr (stattdessen eher klassische funktionale Gesichtspunkte). Langer Rede kurzer Sinn: Kirsch et al führen die „evolutionäre Perspektive“ zu Recht im Titel, da sich ihr Werk konsequent auf diesen rel. „modernen Ansatz“ ausrichtet.

Das Besondere des Buchs liegt neben o.g. Tatsache in der intellektuell anspruchsvollen und beinahe philosophisch angereicherten Umsetzung. Die Autoren steigen mit gut 50 Seiten zu „Unternehmensführung und die Illusion der Machbarkeit“ ein (Kap. 1), betrachten dann wiederum gut 50 Seiten „Ansatzpunke einer Professionalisierung“ (Kap. 2). Der „Handhabung von Entscheidungsproblemen“ werden dann in Kap. 3. ebenfalls ca. 50 Seiten gewidment, wobei auch Phänomene wie kognitive Dissonanzen oder Creeping Commitment angesprochen werden. Es folgt Kap. 4 mit expliziten Überlegungen zur „Möglichkeit einer evolutionären Führungskonzeption und dann gute 60 Seiten zum „weiten Feld des Strategischen“ in dem sich Unterkapitel mit Titeln wie „Strategy follows Themes follows Structure follows Strategy follows…“ finden.

Dem Kenner der Managementliteratur werden allein die zitierten Titel die spezifische Botschaft signalisieren. Es ist allerdings nicht so, dass klassische Themen von SWOT bis (eben) Strategy follows Structure bwz. vice versa nicht behandelt würden. Im Gesamten gehen die Autoren die Materie aber eher an, wie eine sehr unterhaltsame, da neue Blickwinkel ermöglichende Kamindiskussion unter „Eingeweihten“.

Rezension Becker/Ulrich (Hrsg.): BWL im Mittelstand

Der in 2015 in erster Auflage im renommierten Kohlhammer-Verlag von Wolfgang Becker und Patrick Ulrich herausgegebene Sammelband „BWL im Mittelstand – Grundlagen, Besonderheiten, Entwicklungen“ erhebt den Anspruch, „dass eine eigenständige mittelstandsorientierte Betriebswirtschaftslehre eine Daseinsberechtigung hat, die [reine; Anmerk. d. Rezensenten] Herunterskalierung der Lösungen von Großunternehmen wird dem Mittelstand nicht gerecht“ (S. 14, aus dem Vorwort der Herausgeber). Auf mehr als 800 Seiten wird im folgenden der großangelegte Versuch gemacht, diesen Anspruch mit konkretem Inhalt zu untermauern. Man darf gleich an dieser Stelle vorwegnehmen – und das ist auch das Besondere an diesem Werk – der nicht geringe Anspruch wird in großen Zügen erfüllt!

Das Handbuch startet mit einem gut 130seitigen grundlegenden – auch volkswirtschaftliche Aspekte berücksichtigenden – Einführungsteil zur o.g. „Entwicklung einer Mittelstandsorientierten BWL„, wobei bereits auch Themen wie „Hidden Champions“ und spezielle Geschäftsmodelle behandelt werden. Die folgenden beiden Teile orientieren sich dann am bewährten Wertschöpfungsmodell.

Teil 2 widmet sich auf gut 110 Seiten in Beiträgen verschiedener Autoren folglich der Mittelstandsorienteren BWL in primären Bereichen von Beschaffung, Einkauf, Produktion und Supply Chain, Six Sigma, Logistik, Marketing und Vertrieb sowie Employer Branding bzw. Personalmarketing. Teil 3 widmet sich folgend den unterstützenden bzw. sekundären Bereichen der Wertschöpfung, die da wären: Personal bzw. Personalcontrolling, Change Management und Mitarbeiterbeteiligung, Controlling in mehreren Facetten, genau wie Finanzierung incl. der Position des CFO (Chief Financial Officer) im KMU. Beiträge zur Informationstechnologie, Digitalisierung und Business Intelligence runden diesen ca. 210 Seiten umfassenden Teil ab.

Den – vom reinen Umfang her – Löwenanteil mit knapp 400 Seiten beansprucht Teil 4, welcher mit „Übergreifende Themen der Mittelstandsorientierten BWL“ auch recht offen tituliert ist. Hier finden sich speziellere Aspekte behandelt, zu Kategorien von Einzelbeiträgen zusammengefasst: Strategisches Management und Unternehmensführung, Rechnungslegung, Steuerlehre und -optimierung, Mergers & Acquisitions, Sanierung und Restrukturierung, Ethik und Corporate Governance und Compliance sowie abschließend Nachfolge- und Fremdmanagement.

Die breitgemischte Autorenschaft aus Universitäts-, Fachhochschulprofessoren, wiss. Mitarbeitern bzw. Doktoranden und nicht zuletzt auch einer ganzen Reihe von Praktikern geht dabei durchaus ins Detail. Bspw. befasst sich ein Beitrag in letzter o.g. Themengruppe mit dem „Stiftungsmanagement als Nachfolgelösung“ (mehr am Grundsätzlichen orientiert sich hingegen der Sammelband von Pfohl).

Wie immer bei Sammelbänden – sehr umfangreichen noch dazu – lässt sich ein gewisses Maß an Heterogenität zwischen den Beiträgen nicht vermeiden. Gleichwohl verbleibt das Fazit sehr positiv: Das Handbuch kann durchaus den vielzitierten „Vorgänger“ der Herausgeber Letmathe et al. (Management kleiner und mittlerer Unternehmen von 2007) „das Wasser reichen“.